Briefe aus der Ukraine

Samstag, 27. Januar 2024, 19:30 Uhr

Andriy Dragan
Klavier

Franz Xaver Mozart (1791-1844)
Variationen op. 2 F-Dur
Variationen über ein ukrainisches Volkslied d-Moll op. 18

Mykola Lysenko (1842-1912)
Rhapsodie über Ukrainische Themen Nr. 2 op. 18
„Dumka-Shumka“

Nestor Nyzhankinsky (1893-1940)
Kleine Suite „Briefe an sie”

Borys Lyatoshynsky (1895-1968)
Drei Préludes op. 38 (Schewchenko Suite)

Mykola Kolessa (1903-2006)
Drei Préludes

Maurice Ravel (1875–1937)
Miroirs

Am Samstag, 27. Januar, zum 268. Geburtstag von W. A. Mozart, findet bei den Klanglichtern in der Oberen Fabrik Sissach ein Konzert statt, das ganz der Ukraine gewidmet ist. Der bekannte ukrainisch-schweizerische Pianist Andriy Dragan stammt aus Lviv (Lemberg), wo Mozarts Sohn Franz Xaver 30 Jahre als Musiker wirkte. Die Auseinandersetzung mit dem Werk von F. X. Mozart begleitet Andriy Dragan seit seinem 12. Lebensjahr, als er dessen Klavierkonzert auf einer Konzertreise durch die Schweiz spielte. Auch sein Sissacher Klavierabend beginnt mit einem Variationenwerk des „Lemberger Mozarts“, danach widmet sich das Programm einer ganzen Reihe ukrainischer Komponisten des 20. Jahrhunderts, zum Schluss erklingt der Zyklus „Miroirs“ von Maurice Ravel. Geboren in eine ukrainische Musikerfamilie, begann Andriy Dragan bereits mit vier Jahren, Klavier zu spielen, stark gefördert von seinen Eltern (beide Pianisten). Er studierte an der Musikakademie Basel bei Adrian Oetiker und gewann schon während seines Studiums den „Prix Credit Suisse Jeune Solistes“, wurde zum Lucerne Festival und zum Verbier Festival eingeladen und führte unter der Begleitung des Sinfonieorchester Basel das Klavierkonzert Nr. 2 sowie die Paganini-Rhapsodie von Sergej Rachmaninov auf. Daraufhin folgten Auftritte bei diversen Festivals wie dem Menuhin Festival Gstaad, Rheingau Musik Festival, Schloss Elmau, Zaubersee Festival, Unione Musicale Torino, Internationale Festspiele Bergen, Piano à St.Ursanne und Menhir Festival. Er trat unter anderem im Herkulessaal München, Stadtcasino Basel, KKL Luzern, Tonhalle Zürich und in der Nationalen Philharmonie der Ukraine auf. Für die Ukraine organisiert er nicht nur Hilfslieferungen, sondern setzt sich unermüdlich für die Verbreitung der künstlerischen Errungenschaften seines Heimatlandes ein.

Nestor Nyzhankivsky (1893-1940) war ein ukrainischer Komponist, Pianist und Musikkritiker. Er studierte zunächst an der Musikakademie in Lemberg. Nach seinem Militärdienst im 1. Weltkrieg doktorierte er an der Universität Wien im Fach Geschichte (1923) und studierte anschliessend Komposition bei Vitezslav Novak in Prag (1927). Von 1931-1939 unterrichtete er Klavier und Musiktheorie an der Musikakademie in Lemberg. Er starb 1940 auf der Flucht vor der sowjetischen Besatzung seiner Heimat. Das Schaffen von Nestor Nyzhankivsky hatte einen grossen Einfluss auf die ukrainische Musikkultur, insbesondere gilt dies für die Region Halychyna. Leider wurde sein Manuskriptarchiv während des Zweiten Weltkriegs vollständig zerstört, daher sind die Klavierwerke von Nyzhankivsky in der Musikwissenschaft, der Aufführungspraxis und im kulturellen und künstlerischen Raum wenig bekannt. Die Klaviersuite „Briefe an sie“ nimmt im Schaffen Nyzhankivskys einen besonderen Platz ein. Das Werk entstand 1928 während seines Studiums an der Prager Akademie der Künste. In diesem Zyklus, der in der Tradition der romantischen Programm-Miniaturen steht, zeigt sich der Komponist als kühner Experimentator, der originelle klangliche und stilistische Lösungenfindet. Die titelgebenden Bilder des Werks beziehen sich mit ihrem lyrischen Charakter auf romantische Erfahrungen, welche die sehr eigenständig wirkenden, kontrastierenden Sätze der Suite verbinden.

Wie Nyzhankivsky studierte Mykola Kolessa (1903-2006) zunächst an der Musikakademie in Lemberg (bis 1923) und setzte anschliessend in Prag seine Studien fort. Seine Lehrer waren u. a. Vitezslav Novak (Komposition) sowie Otakar Ostrcil (Dirigieren). 1931 schloss er seine Studien ab und begann noch im gleichen Jahr selbst zu unterrichten: bis 1939 am Lemberger Lyssenko-Institut, ab 1939 am Lemberger Konservatorium, dem er einige Jahre lang als Rektor vorstand. Seine Professur für Dirigieren nahm Kolessa noch als über 100-Jähriger wahr. 40 Jahre lang, von 1939 bis 1979 leitete er zudem das Philharmonische Orchester Lemberg. Er starb im Alter von 102 Jahren in Lemberg. Die Drei Preludes von Mykola Kolessa sind ein anschauliches Beispiel für die Verwendung der ukrainischen Folklore in der akademischen Musik: harmonische Merkmale der Volksmusik sind mit einem romantischen und impressionistischen Stil gepaart. Insbesondere das Prelude „Hutsul“ ist von Karpaten-Aromen durchdrungen, die den Hörer in die Atmosphäre regionaler Melodien eintauchen lässt. Impressionistische Klangfarben zeigen sich in den Preludes „Herbst“ und „Fantastisches“, in denen der Komponist das Reich der volkstümlichen Fantasie, der Märchen und Naturbilder aufnimmt. Mit orchestralen Elementen und dem grossen Raumklang des Klaviers erreicht Kolessa eine facettenreiche romantische Textur.

Borys Lyatoshynsky (1895-1968) war ein ukrainischer Komponist, Dirigent und Pädagoge und gilt als einer der Begründer des Modernismus in der ukrainischen klassischen Musik. Er studierte in Kiew von 1914 bis 1918 Jura, zugleich aber auch Komposition am Konservatorium bei Reinhold Glière. 1919 schloss er sein Musikstudium ab und unterrichtete danach selbst am Konservatorium in Kiew, schliesslich ab 1935 als Professor für Komposition und Orchestration. 1935 bis Anfang der 40er Jahre lehrte er zugleich auch am Moskauer Konservatorium. Bei Kriegsausbruch wurde das Moskauer Konservatorium nach Saratow evakuiert, wohin Lyatoschynsky folgte, um weiter zu unterrichten. Zur gleichen Zeit wurde in Saratow der Radiosender Taras Schewtschenko eingerichtet, der für den ukrainischen Partisanenuntergrund sendete. Lyatoschynsky und seine Frau Marharyta Tsarevych nahmen regelmässig an diesen Sendungen teil. Im Sommer 1944 kehrte Lyatoshynsky in die Ukraine zurück und nahm wieder am Kiewer Musikleben teil. Von 1944 bis zu seinem Tod im Jahr 1968 lebte er im Rolit-Schriftstellerhaus, wo eine Gedenktafel für den Komponisten angebracht wurde. Lyatoschynsky wurde zum künstlerischen Leiter der ukrainischen Philharmonie ernannt, arbeitete als Musikberater beim Rundfunkkommitee und lehrte am Kiewer Konservatorium.
Die Drei Preludes Op.38 (Schewtchenko Suite) bilden einen Zyklus, der auf folkloristischem Material aus einer Sammlung ukrainischer Volkslieder beruht. Im ersten Prelude wird das Lied „Jarom, khloptsi, jarom“ („Durch den Abhang, Jungs“) in einer stilisierten Version verwendet, im zweiten Prelude das alte Kosakenlied „Oh, ich werde durch die Wiese gehen“. Das dritte Prelude ist eine Synthese typischer Phrasen aus der ukrainischen Volksmusik.Der Komponist bildet einen poetischen Parallelismus, in dem er jedem Prelude ein Epigraph des Dichters Taras Schwetschenko voranstellt. In jeder poetischen
Passage werden Antithesen unterschieden, die in der Musik durch die Kombination von kontrastierenden Elementen zu einer thematischen Struktur werden. Das Epigraph des ersten Preludes lautet:
Die Sonne geht unter, dieBerge dunkeln,
Die Vögel schweigen, die Nacht ist gesunken,
Die Menschengrüssen die Ruh’ und den Frieden.
Ich schaue … ach, könnt’ ich zur Ukraine
Ineinen nachtdunklen Garten fliegen.
Die melancholische aber leichte Stimmung des ersten Preludes kontrastiert mit der pathetisch schwermütigen Semantik des zweiten Epigraphs:
Schornsteine ohne Rauch sind traurig,
Und hinter den Gärten, hinter dem Zaun
wachsen die schwarzen Gräber.
Das abschliessende Prelude ist voller lyrischer und dramatischer Hingabe. Es erscheint wie eine Apotheose, der Höhepunkt der Entwicklung der beidenvorangegangenen Teile des Zyklus:
Dann wird auf der erneuten Erde
Kein Feinduns zum Hohn mehr hausen,
Dann gibt es Mutter, gibt es Sohn,
Dann gibt esMenschen auf der Erde.

Der französische Komponist Maurice Ravel (1875–1937) gilt als einer der Hauptvertreter des Impressionismus und damit einer der wichtigsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Gerade mal vierzehnjährig bestand 1889 Ravel die Aufnahmeprüfung zum Pariser Konservatorium. In dieser Zeit spielte er mit dem Gedanken an eine Pianistenkarriere, wechselte jedoch schon bald in die Kompositionsklasse von Gabriel Fauré. In den Werken Ravels bleibt die Tonalität weitgehend erhalten, gelegentlich findet sich darin auch Polytonalität. Ravel verband seine französische impressionistische Musik mal mit Elementen des Barocks, der Jazzmusik oderauch der spanischen Volksmusik. Die meisten seiner Kompositionen stiessen beim breiten Publikum zunächst auf Unverständnis und Ablehnung, da sieweder gefällig folkloristisch noch im traditionellen Sinne harmonisch waren.
Fachkritiker erkannten jedoch früh Ravels Innovationskraft und seine ausserordentliche Meisterschaft auf dem Gebiet der Klanggestaltung und Orchestration. Ravel unternahm zahlreiche Konzertreisen, auf denen er eigene Werke spielte oder dirigierte, bis ihn 1933 Lähmungserscheinungen zwangen, das Komponieren aufzugeben. Er verstarb 1937 nach einer Gehirnoperation. Maurice Ravel komponierte die Miroirs, ein Zyklus aus fünf Klavierstücken, im Jahr 1905. Das Werk gehört neben Ravels späterem Zyklus Gaspard de la nuit und den Klavierwerken seines Zeitgenossen Claude Debussy zu den Schlüsselwerken der Klaviermusik des französischen Impressionismus.

Eintrittskarten: CHF 38.-
Schüler und Studenten: CHF 23.-

Abo für 5 Konzerte 2024 (ohne Galakonzert): CHF 175.–

Mitglieder der Konzertgesellschaft Klanglichter: CHF 5.- Ermässigung auf Einzeltickets / Abo: CHF 150.–

Türöffnung: 18:30 Uhr